Traurig aber wahr: Immer mehr Frauen werden Opfer von gefälschten Bildern und Videos
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Auf dem Foto: „Vollbild“-Journalistin Filippa von Stackelberg vor zahlreichen Deepfake-Pornos.
Immer häufiger werden Frauen in Deutschland Opfer von gefälschten Sexvideos und -bildern im Internet. Dabei handelt es sich um sogenannte Deepfakes, also manipulierte pornografische Bilder und Videos, in die das Gesicht der Betroffenen mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) montiert wird.
Das zeigen Recherchen des investigativen SWR-Rechercheformats „Vollbild“ auf YouTube und in der ARD Mediathek.
Möglich macht das die rasante Weiterentwicklung der KI-Technologie. Deepfakes lassen sich heutzutage mit frei verfügbaren Apps oder Software schon in wenigen Minuten erstellen.
Wie „Vollbild“-Recherchen zeigen, gibt es eigene Foren im Internet, in denen massenhaft Bilder auch von deutschen Mädchen und Frauen hochgeladen werden, die bereits gedeepfaket wurden oder offenbar gedeepfaket werden sollen.
Experte: Millionen von Frauen von Deepfakes betroffen
Laut KI-Experte Henry Ajder ist die Zahl der Deepfakes im Internet in den vergangenen Jahren förmlich explodiert. Er forscht bereits seit Jahren zu Deepfakes.
Zählte der Forscher 2018 noch etwa 14.000 im Netz kursierende Deepfake-Pornovideos, lasse sich heute keine Zahl mehr nennen, sagte Henry Ajder im Interview mit „Vollbild“.
„Wir sprechen hier wahrscheinlich von Milliarden von Deepfakes, die mittlerweile erstellt wurden“, sagt der Experte.
„Wir sprechen im Zusammenhang mit dem Missbrauch von Bildern über Millionen von Frauen, die jetzt ins Visier genommen werden. Wir können zwar keine Statistiken vorlegen, aber doch mit Sicherheit sagen, dass diese Technologie regelrecht explodiert ist -auch in Hinblick auf ihre bösartige Verwendung.“
Nicht mehr nur prominente Frauen werden Opfer von Deepfakes
In der Vergangenheit wurden vor allem gefälschte Sexvideos und Nacktbilder von prominenten Frauen im Internet verbreitet. Auch heute gibt es Internetforen, in denen massenhaft Promi-Deepfakes geteilt werden.
Bei „Vollbild“-Recherchen fanden sich unter anderem Deepfakes von Politikerinnen, aber auch von zahlreichen Sängerinnen, Moderatorinnen und YouTuberinnen. Die Influencerin „Mrs. Bella“ wurde von „Vollbild“ auf ein von ihr im Netz kursierendes Deepfake-Pornovideo aufmerksam gemacht.
Sie will nun juristisch gegen die Verbreitung des Videos vorgehen. „Früher waren Prominente betroffen, Personen des öffentlichen Lebens. Jetzt kann es jeden treffen. Wir sind Freiwild“, sagt die britische Buchautorin und Aktivistin Kate Isaacs im „Vollbild“-Interview.
Sie hat in Großbritannien die Initiative #NotYourPorn gegründet, um auf digitale Gewalt aufmerksam zu machen. Inzwischen plant die britische Regierung ein Gesetz, das Deepfake-Pornovideos unter Strafe stellen soll.
So weit ist die Bundesregierung offenbar noch nicht: Das Bundesjustizministerium erklärt auf „Vollbild“-Anfrage, demnächst solle ein Eckpunktepapier für ein Gesetz gegen digitale Gewalt vorgelegt werden. „Ziel ist es, den Rechtsschutz für Betroffene digitaler Gewalt zu verbessern“, so eine Sprecherin.
Landeskriminalämter erfassen keine Zahlen zu Deepfakes
Wie eine Recherche von „Vollbild“ beim BKA und den Landeskriminalämtern zeigt, werden Deepfakes in Deutschland bislang behördlich nicht erfasst, weil sie keinen eigenen Tatbestand darstellen.
So teilt das LKA Bayern mit: „Die Rechtslage zu Deepfakes ist aufgrund des neuen Phänomens noch nicht eindeutig. Bei der Herstellung und Verbreitung von täuschend echt wirkendem Bild- und Videomaterial von anderen Personen mittels Deepfake-Software können verschiedene Straftaten verwirklicht werden.“
In Frage kommen z. B. Verstöße gegen das Kunsturheberrechtsgesetz, Verletzung von Persönlichkeitsrechten, Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten oder Beleidigung.
Täter wollen Mädchen und Frauen aus ihrem privaten Umfeld erniedrigen
Im Zuge der Recherche ist es dem „Vollbild“-Team gelungen, mit Tätern per Chats in Kontakt zu treten. Die Recherchen zeigen, dass zahlreiche Männer mit Deepfakes ihre pornografischen Fantasien befriedigen wollen.
Einigen geht es darum, Frauen und Mädchen aus ihrem privaten Umfeld zu demütigen und erniedrigen. Es gibt Bilderforen und Tauschbörsen im Internet, in denen User unzählige Bilder von Mädchen und Frauen hochladen, damit andere User sie in Pornos deepfaken.
Deepfake-Wünsche werden mitunter binnen eines Tages erfüllt, viele User machen das kostenlos, als Hobby.
Viele Frauenberatungsstellen kennen das Phänomen Deepfakes: Anna Lehrmann vom Verein „Frauen helfen Frauen“ in Fürstenfeldbruck schildert im „Vollbild“-Interview, dass Deepfakes häufig auch mit anderen Formen von Gewalt wie Erpressung oder Bedrohung einhergingen.
Gefälschte Sexbilder oder -videos würden oft von Männern als Waffe bei Beziehungsstreitigkeiten eingesetzt.
Opfer haben oft ein Leben lang mit gefälschten Sexvideos zu kämpfen
Wie langanhaltend der Schaden sein kann, den Betroffene durch Deepfakes erleiden, erklärt Josephine Ballon, Rechtsanwältin und Head of Legal bei der gemeinnützigen Organisation „HateAid“, die Betroffene Digitaler Gewalt berät und unterstützt.
„Wenn das Bild einmal in der Öffentlichkeit ist, dann wird es geteilt. Selbst, wenn man vielleicht eine Löschung erzielen konnte, teilen es andere vielleicht einfach weiter auf anderen Plattformen, haben es sich sogar gespeichert, um es später nochmal zu posten. Das kann für Betroffene bedeuten, dass sie ein Leben lang nach ihren Bildern suchen und für die Löschung sorgen müssen“, so Josephine Ballon.
„Vollbild“ vom SWR ist das neue investigative Recherche-Format aus der Werkstatt von „Report Mainz“ und Labo M. Alle zwei Wochen dienstags erscheint ein neues Video auf YouTube und in der ARD Mediathek.
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© Foto: SWR, Südwestrundfunk